Sovereign of the Seas - Versuch einer Annäherung

Phineas Pett (1570-1648), den meisten Lesern ein bekannter Name, entstammte einer weitverzweigten englischen Schiffbauerfamilie, die nachweislich bis etwa 1400 zurückreicht. Der Bau von Schiffen und vor allem die Kunst des Schiffsentwurfs wurden ihm quasi in die Wiege gelegt. Über die frühe Jugend unseres Schiffszimmerers ist wenig bekannt, sie ist in dieser Arbeit auch nicht von Belang. Wesentlich später als heute üblich kam Phineas 1579 als neunjähriger Junge in die Schule in Rochester. Ganze drei Jahre musste er hier die Schulbank drücken, bevor ihn sein Vater 1582 in die Obhut eines Mannes Namens Adams gab. Welche Lernziele für den Jungen besprochen wurden, sind natürlich nicht überliefert. Nach dem Besuch der beiden Schulen studierte er von 1586-1590 in Cambridge. Kurz vor dem Abschluss des Studiums verstarb der Vater, und die Mutter sah sich daraufhin genötigt, ihren Sohn 1591 mit dem Ziel einer Ausbildung zum Schiffszimmerer in die Hände eines Schiffszimmermeisters zu geben. Richard Chapman in Depford nahm den Jungen auf, um ihn auszubilden. Nach nur zwei sicher schweren Ausbildungsjahren verstarb Chapman überraschend und Pett musste aus uns unbekannten Gründen die Werft verlassen. Er versuchte daraufhin eine Anstellung bei Mat-thew Baker zu bekommen, was leider nicht gelang, da es Baker nicht möglich war, seinen Wünschen zu entsprechen. Somit stand er fast mittellos, ohne Arbeit und noch geringen Fachkenntnissen auf der Straße. Nach ergebnisloser Arbeitssuche verschlug es Phineas Pett dann nach Irland, wo er seinen Onkel Kapitän Thornton aufsuchte. Er wurde vermutlich durch Vermittlung seines Onkels Seemann auf einem Kaperschiff. So machte er verschiedene Reisen, lernte ganz nebenbei die Schwächen der damaligen Schiffe kennen und kehrte um 1594 nach Irland zurück. Da er hier keine Tätigkeit aufnehmen konnte, ging er nach London zurück. Bei einem seiner Brüder fand er eine Arbeit auf dessen Werft. Vermutlich schon um 1595 konnte Pett seine berufliche Perspektive deutlich verbessern. Er wurde als gewöhnlicher Schiffszimmermann für etwa zwei Jahre bei dem berühmten Schiffbaumeister Matthew Baker eingestellt. Kurzfristig musste er wieder für seinen Bruder arbeiten, doch schon bald stellte Baker ihn erneut ein. Hier hat er dann in den langen Winterabenden seine Kenntnisse im Rechnen und Zeichnen vertieft. Ob Matthew Baker den jungen Schiffszimmerer in die Geheimnisse des theoretischen Schiffbaus einwies oder ihn nur mit dem praktischen Teil des Bauens von Schiffen beschäftigte, ist nicht überliefert. Es ist allerdings auch schwer vorstellbar, dass Phineas Pett dieses Wissen schon vor dem neunten Lebensjahr im Elternhaus oder gar bei seinem Lehrherrn Chapman erworben hatte. Eine Möglichkeit wäre natürlich die Studienzeit in Cambridge. Im April 1597, als er den Großadmiral Graf Nottingham kennen lernte, wendete sich das Blatt. Sein bis dahin eher unstetes Leben wurde nun in festere Bahnen gelenkt. Nottingham scheint ein Gespür für die Fähigkeiten des mittlerweile 27-jährigen gehabt zu haben, denn von nun an ging es Pett privat wie auch beruflich zusehends besser. Er wurde Diener dieses Grafen, konnte aber die meiste Zeit auf der Werft seines Bruders arbeiten. Mitte des Jahres 1597 wurde er durch Vermittlung des Grafen Nottingham auf der Marinewerft in Chatham angestellt. Einige Zeit danach, etwa 1602, wurde er zum Assistenten des Meisterschiffbauers in Chatham berufen. Im Januar 1604 bekam er, wiederum durch Vermittlung Nottinghams, den Auftrag, für den Prinzen Henry Frederick (1594- 1612) ein kleines Schiff zu bauen. Das Schiff sollte eine Kiellänge von 25 Fuß bekommen und war als Übungsschiff für den Prinzen gedacht. Mit 34 Jahren hatte Pett es endlich geschafft, in königliche Dienste zu gelangen. Um 1608, nur vier Jahre nach dem Bau des kleinen Schiffes für den Prinzen Henry, konnte er durch die Anfertigung eines Modelles König Jakob I. (1567-1625) inspirieren, ein neues Schiff zu bauen. Das Modell der späteren PRINCE ROYAL wurde von einflussreichen Persönlichkeiten dem König zugänglich gemacht und verfehlte seine Wirkung nicht, denn der Auftrag, dieses Schiff zu bauen, erfolgte kurze Zeit darauf. Ob es sich wirklich um ein Modell im Sinne eines dreidimensionalen Schiffskörpers oder eventuell um eine zweidimensionale Zeichnung gehandelt hat, wissen wir nicht. Nachdem in Schiffbauerkreisen bekannt wurde, dass dieses Schiff in seinen Abmessungen alles Bisherige übertreffen würde, waren sofort die Neider zur Stelle, um Sturm dagegen zu laufen. Die Widerstände waren, wie konnte es auch anders sein, massiv. Konservativ denkende Zeitgenossen konnten sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ein junger Schiffszimmererkollege ein über Generationen gewachsenes Regelwerk für den Schiffbau durchbrechen wollte. Die meisten Schiffbauer, darunter sogar der berühmte Matthew Baker, einst ein Befürworter und Förderer von Phineas Pett, hielt die Hauptabmessungen und Überlegungen zur PRINCE ROYAL für nicht richtig und bekämpfte in einer eigens dafür eingerichteten Expertenkommission dieses Projekt aufs Schärfste. Pett hatte abweichend von der damals üblichen Praxis das Flach der PRINCE ROYAL breiter machen wollen. Ferner brachten die Gegner des Projekts zum Ausdruck, dass zum Beispiel die Hauptspantform total verkehrt wäre. Pett sollte sogar an verschiedenen Stellen zusätzliches Holz an den Außenkanten der Spanten angebracht haben. Sie hoben hervor, dass dieses wohl bei einem guten Schiffbauer nicht vorkommen dürfte. Weiterhin wäre der Boden zu flach, die unteren und oberen Krümmungen des Hauptspants wären zu groß und die der mittleren zu klein. Die gewählte Raumtiefe hätte zur Folge, dass das Schiff infolgedessen zu rank werden würde. Dieses wiederum wirke sich negativ auf die Segeleigenschaften aus. Der in der Zwischenzeit unterrichtete König ordnete eine Untersuchung an, um den Beschuldigungen auf den Grund gehen zu können. Derartig schwere Konstruktionsmängel durften an einem Königlichen Schiff nicht vorkommen und mussten unbedingt abgestellt werden. Seine Majestät stellte eine Expertengruppe zusammen und setzte einen angemessenen Termin fest, so dass genügend Zeit für die Vorbereitungen der Untersuchung blieb.Auf der Werft wurden verschiedene Räumlichkeiten für die Verhandlung hergerichtet, da der König die Untersuchung persönlich leiten wollte. Um einer Eskalation der Angelegenheit vor dem König zuvorzukommen, hatte Pett die schon aufgestellten Wrangen des Schiffes auf die übliche Breite reduzieren lassen. Einen interessanten Aspekt dieser von Pett ausführlich beschriebenen Begebenheit stellt die Tatsache dar, dass scheinbar nicht nur Phineas Pett seinen Hauptspant und eventuell weitere Teile des Schiffes im Maßstab 1:1 auf einem Schnürboden aufgerissen hatte. Vermutlich kannte man in England schon lange vor Phineas Pett den auch heute noch auf Werften üblichen Schnürboden. Hier konnten die vom König beauftragten Prüfer alle Maße des Schiffes aufnehmen und am gebauten Schiff überprüfen. Pett konnte alle Beschuldigungen widerlegen und wurde vom König freigesprochen.Wahrscheinlich war Pett zu diesem Zeitpunkt noch zu jung, um ohne königlichen Beistand den massiven Angriffen der Neider zu widerstehen. Gut 26 Jahre später wagte er sich dann an sein größtes Projekt, die SOVEREIGN OF THE SEAS. Phineas Pett war wohl, sehr zum Leidwesen seiner Kollegen Schiffbaumeister, ein außergewöhnlich begabter und mutiger Schiffszimmerer, der seiner Zeit weit voraus war. Wir haben das